Ein paar Gedanken angeregt von "Sie schaffen Glück, keine Jobs" von Philipp Löpfe (TA vom 26.4.2011)
Sich mit der Frage nach dem Nutzen von Social Media auseinanderzusetzen wie es der Artikel verspricht, fände ich durchaus spannend. Leider scheint mir die ganze Argumentation an einem unreflektierten Dogma aufgehängt: Viele Arbeitsplätze = Wohlstand.
Doch wieso eigentlich soll hektische Aktivität an sich Wohlstand sichern?
Erst mal ist das Gegenteil der Fall. Wohlstand besteht darin, dass die Menschen sich eben *nicht* total abrackern müssen, um zu überleben.
Um das zu erreichen, gibt es zwei Wege: Erstens: Andere die Arbeit machen lassen - früher waren es Sklaven, später kamen die Maschinen mit dem Energieverbrauch dazu. Und zweitens: Verbesserung der Methoden, so dass mehr mit weniger Aufwand erreicht werden kann.
Auf beiden Wegen sind wir lange und weit vorwärtsgekommen. Während sich aber sich die Grenzen der Versklavungsmöglichkeiten und der Resourcenverschwendung überall unerbittlich zeigen, ist das Potential unendlich, neue Methoden zu finden, um das Vorhandene besser zu nutzen, und dann zu verbreiten. Die Natur macht das seit Millionen von Jahren, und wir nennen es Evolution.
Diesbezüglich sind wir an einem interessanten Punkt. Bis vor sehr wenigen Jahren hielt die Biologie das absolute Monopol in der Informationstechnologie.
Speicherdichten und Replikationsmechanismen wie in den Genen, Verarbeitungskapazitäten wie in Gehirnen waren technisch unvorstellbar. Nicht mehr so sehr heute. Dass deswegen die Roboter bald die Herrschaft übernehmen halte ich zwar für Quatsch. Nicht aber, dass die Informationstechnik für die Evolution (der Menschen) relevante Grössenordnung bekommen hat.
Vielleicht muss ich es noch etwas zuspitzen, damit der Gedanke klar wird: Was anderes, als eine schnelle Entwicklung des Bewusstseins der gesamten Menschheit kann uns noch retten? Und was anderes als die effiziente Verbreitung von Wissen und Erfahrung könnte dazu beitragen?
Oh gewiss, ein grosser Anspruch an Facebook &Co :-)
Aber auch weniger ausschweifend betrachtet - Social Media ernsthaft daran zu messen, wiewenige Menschen dadurch in einem Datencenter für Lohn Dienst schieben dürfen, ist absurd.
Oder zumindest irrelevant, sogar rein volkswirtschaftlich, im Vergleich zu den Auswirkungen dieser Informationsströme, z.B. in den vielen Firmen, die ihr Marketing total auf Social Media aufbauen, oder meinetwegen die an klassischen Arbeitsplätzen damit verplemperten Stunden (oder war das schon Aufbauarbeit für ein zweites Standbein?). Erst recht mit einem Seitenblick auf die kürzlichen Ereignisse im nahen Osten, die dürften wirtschaftlich relevanter sein als jede nur denkbare Anzahl von Arbeitsplätzen bei Facebook.
Übrigens - dass Twitter&Facebook keine Riesenapparate sind, ist eine gute Nachricht! Das heisst, dass sie noch nicht quasi unersetzlich sind. Denn wenn Social Media irgendwas bringen soll, darf es mittelfristig nicht von Herrn Zuckerbergs Laune abhängen, wie die Welt kommuniziert!