Die Statistik des Einzelfalls

Immer wieder einmal begegnet mir folgende Denksportaufgabe (bekannt als das "Ziegenrätsel", "Ziegenproblem" oder "Monty-Hall-Problem"):

In einem Fernsehquiz gibt es drei gleiche Türen. Hinter zweien hat es eine Ziege, hinter einer ein Auto (oder sagen wir besser: einen erstrebenswerten Hauptgewinn. Nicht alle wollen ein Auto haben).

Als Kandidat darf ich erst mal eine Tür auswählen. Daraufhin öffnet der Quizmaster eine andere Tür, hinter der in jedem Fall eine Ziege ist. Nun darf ich entscheiden, ob ich bei der ursprünglichen Wahl bleibe oder mich für die andere noch geschlossene Tür entscheide.

Die Frage ist nun: Wie soll ich mich entscheiden?

Als Lösung der Aufgabe wird dann jeweils die statistisch richtige Antwort präsentiert und hergeleitet, z.B. hier. Diese ist für Uneingeweihte überraschend (die Gewinnwahrscheinlichkeit ist beim Wechsel doppelt so hoch, also soll man die Tür wechseln) und durchaus ein faszinierendes Beispiel für die Fallstricke bei bedingten Wahrscheinlichkeiten.

Dennoch sage ich - die präsentierte Lösung ist falsch. Die richtige Lösung lautet: Es ist egal, was die Statistik sagt - ich muss meine Wahl selber treffen.

Warum? So wie die Aufgabe präsentiert wird, handelt es sich für mich um einen Einzelfall. Ich werde kein zweitesmal Kandidat in diesem Quiz sein können, die Chance zu gewinnen ist einmalig. Und damit wird die Statistik gänzlich irrelevant. Auch wenn die Statistik eine tausendfache Chance für die eine Tür beweisen würde - das eine Mal wo ich im Leben bei diesem Quiz Kandidat bin kann es genausogut die andere Tür sein. Ich muss also frei entscheiden. Die Statistik hilft mir nichts.

Ich finde diese Erkenntnis fundamental. Erst wenn sich eine Situation viele Male wiederholt, wird Statistik nützlich. Wer aber für einmalige Entscheidungen sich der Statistik unterordnet, verschenkt seine Freiheit. Es ist eine schreckliche Täuschung, zu glauben, eine statistikkonforme Entscheidung sei vernünftig - und sich dadurch vielleicht davon abbringen zu lassen, einer inneren Überzeugung zu folgen.

2 thoughts on “Die Statistik des Einzelfalls”

  1. Hallo luz,

    es freut und erschreckt mich zugleich, dass ein Tweet von mir Anlass dafür ist, dass du einen blog eröffnest. =:) Sei’s drum.

    Aus meiner physikalischen Sicht heraus, die dem physikalischem Mainstream allerdings widerspricht, möchte ich anmerken, dass die Wahlfreiheit, von der du schreibst, eine eingebildete ist. Wobei ich weder das Wörtchen “Determinismus” – zu zielgerichtet, noch das Wörtchen “Schicksal” – zu esoterisch bemühen möchte.

    Vielleicht rege ich dich diesmal in Richtung Physik an. Stichwort “Verschränkung” ;)

    Bye

    1. Kein Grund zu erschrecken :-) Ein Anlass ist nicht dasselbe wie ein Grund. Aber manchmal braucht es einen kleinen Schubs, etwas endlich anzupacken, und das war damals (3 Jahre ist’s her!) Dein Tweet.

      “Einbildung” klar abzugrenzen (von was? absoluter Wahrheit?) finde ich allerdings genauso schwierig wie das bei “Wahlfreiheit” zu tun.

      Für meinen Punkt spielt es keine entscheidende Rolle, ob die Wahlfreiheit absolut ist oder nicht. Subjektiv ist es auf jeden Fall ein grosser Unterschied, ob man seine Entscheidungen in vorauseilendem Gehorsam dem Mainstream anpasst oder nicht.

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